Kohärenz im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht der Europäischen Union: Eine einleitende Orientierung (Consistency in EU Private International Law: An Introductory Survey)

Abstract

Deutsche Zusammenfassung: Ein Hauptanliegen im europäischen Internationalen Privatrecht, wie es auch auf der Agenda der gegenwärtigen Europäischen Kommission steht, ist die Herbeiführung von mehr Kohärenz. Dies bedarf umfassender Querschnittsuntersuchungen, um die verschiedenen Rechtsakte hinsichtlich der Regelung korrespondierender Fragen miteinander in Einklang zu bringen. Dabei ist auch auf eine Koordinierung von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht zu achten. Vermehrt lassen sich außerhalb des eigentlichen Bereichs der kollisionsrechtlichen Rechtsakte gegenläufige Wertungen feststellen, die zu einer überaus komplexen Rechtsanwendung in einem zweistufigen Verfahren führen; auch hier ist größere Kohärenz erforderlich. Von vorrangiger Bedeutung ist zunächst die Erforschung der zahlreichen Inkonsistenzen und Widersprüche. Erst danach stellt sich die Frage der Auflösung für die Zukunft; sie wird zum Teil in der Rechtsanwendung, etwa in der Nutzung von Rechtsfiguren wie Qualifikation und Eingriffsnormen, liegen und zum Teil in der Konsolidierung bestehender Rechtsakte. Dagegen ist die Zeit für eine Gesamtkodifikation des europäischen IPR noch nicht gekommen. Wer nach Übersichtlichkeit strebt, sollte sich eher dem Modell einer „wachsenden Kodifikation“ zuwenden, die zunächst nur Bestehendes zusammenfasst, z. B. Rom I, Rom II und Brüssel I. Sie müsste als offene Gesetzgebung konzipiert sein, die später weitere Abschnitte in sich aufnehmen kann, zum Beispiel allgemeine Regeln, eine überarbeitete Rom III-VO oder das Unterhaltsrecht.

English Abstract: One of the main objectives in European private international law that has been highlighted by the work programme of the current Commission is to increase consistency. This will require a large number of horizontal investigations with a view to bringing in line the various EU acts. Both the consistency among rules on choice of law and the consistency between choice of law rules and jurisdiction as well as recognition of foreign judgments are at stake. Moreover, European conflicts legislation should reconsider the relation between legislative acts on private international law and other principles of Union law. In this respect, a two-step analysis appears to emerge from more recent case law: After a choice of law analysis, the outcome is tested as against principles such as the basic freedoms. The paper advocates a careful analysis of the tensions arising in these fields in order to prepare a gradual harmonization in a case-by-case approach. Time is not yet ripe for a comprehensive codification of European private international law. More transparency could however be achieved by a "creeping codification" which consolidates existing acts such as Rome I, Rome II and Brussels I and is open for the subsequent integration of further provisions, for example on general issues or on maintenance obligations.

Note: This contribution is published in the Max Planck Private Law Research Paper Series with the permission of the rights owner, Mohr Siebeck. Downloadable document is in German.

Keywords: EU Private International Law, consistency, jurisdiction and applicable law, codification