Außergerichtliche Anspruchsberühmung (Extra-judicial Claims of Entitlement)
Archiv für die civilistische Praxis (AcP), Vol. 221, No. 1-2, pp. 139-178, February 2021
DOI: 10.1628/acp-2021-0006
42 Pages Posted: 11 Jun 2021 Last revised: 15 Mar 2022
Abstract
Deutsche Zusammenfassung: Die unberechtigte Geltendmachung von Ansprüchen kann beim Gegner Kosten verursachen. Der Ersatz dieser Kosten ist de lege lata nicht immer möglich: In manchen Fällen gewährt die Rechtsordnung den Ersatz, in anderen belässt sie es beim Hinweis, dass es zum allgemeinen Lebensrisiko gehöre, mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert zu werden. Ist diese Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt oder willkürlich? Diese Frage beschäftigt die Literatur immer wieder, wobei die Lösungsvorschläge inhaltlich wie methodisch variieren. Einige Autoren plädieren für die Einführung eines verschuldensunabhängigen Kostenersatzanspruchs de lege ferenda, während die anderen einen solchen Anspruch bereits nach geltendem Recht mit Hilfe einer Analogie begründen. Diesen Lösungen steht der Ansatz gegenüber, der am Verschuldenserfordernis festhält und die Sorgfaltspflichten des Anspruchsberühmers „situativ“ abstufen will. Allen Lösungen ist jedoch gemeinsam, dass sie für die allgemeine Haftung eines „falschen“ Gläubigers eintreten, eine Haftung, die nicht vom Vorliegen einer Sonderregelung oder einer besonderen Beziehung zwischen den Parteien abhängt. Der vorliegende Artikel zieht ein Zwischenfazit und untersucht, wie das geltende Recht mit der Anspruchsberühmung im vertraglichen und außervertraglichen Bereich umgeht. Sind die jeweiligen Lösungen stimmig oder bedarf es einer Korrektur? Wenn ja, wie soll sie aussehen und ist sie bereits de lege lata oder nur de lege ferenda möglich? Zu diesem Zweck wird vertragliche und außervertragliche Haftung für Anspruchsberühmung analysiert. Insbesondere im außervertraglichen Bereich kommt eine breite Palette von Anspruchsgrundlagen in Betracht: spezialgesetzliche Normen, Ansprüche aus einer Sonderverbindung und der Geschäftsführung ohne Auftrag, bereicherungs- und deliktsrechtliche Haftung. Dennoch verbleibt eine Schutzlücke, was den Anlass gibt zu überlegen, ob und wie diese Lücke geschlossen werden soll.
English Abstract: The assertion of unjustified claims can create costs for the opposing party. Reimbursement of these costs is not always possible de lege lata: In some cases, the legal system grants reimbursement; in others it simply states that the general risks of life include being confronted with unfounded claims. Is such unequal treatment objectively justified or arbitrary? This question has been repeatedly addressed in academic literature, and the proposed solutions vary in terms of content and methodology. Some advocate de lege ferenda the introduction of a no-fault claim for reimbursement, while others justify such a claim under current law by analogy. These solutions oppose an approach that adheres to the fault requirement and looks to scale the due diligence of the claimant “situationally”. What all the solutions have in common, however, is that they stand for the general liability of a “false” creditor, a liability which does not depend on the existence of a special rule or a special relationship between the parties. This article draws an interim conclusion and examines how the current law deals with claim avoidance in the contractual and non-contractual arenas. Are the solutions correct or in need of revision? If the latter is true, what should a revision look like, and is this possible de lege lata or only de lege ferenda? For this purpose, contractual and non-contractual liability for unjustified claims are analysed. Particularly in the non-contractual area, a wide range of bases for a claim can be found: special legal rules, claims based on a special relationship and on actions without due authority, unjust enrichment and tort liability. Nevertheless, it will become apparent that there remains a gap in the available protection, thus leaving one to ask whether and how this gap should be closed.
Note: This article is published in the Max Planck Private Law Research Paper Series with the permission of the rights owner, Mohr Siebeck. All full-text AcP articles are available via pay-per-view or subscription at Mohr Siebeck's website. Downloadable document is in German.
Keywords: Anspuchsberühmung, Rücksichtnahmepflicht, Plausibilitätskontrolle, vertragliche und deliktische Haftung, Vermögensschaden, unberechtigte Abmahnungen, culpa in contrahendo, culpa in petendo, Sonderverbindung, Geschäftsführung ohne Auftrag
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