Frieden im Anthropozän (Peace in the Anthropocene)
21 Pages Posted: 11 Oct 2021
Date Written: October 11, 2021
Abstract
German Abstract: Nach der Auflösung des Warschauer Paktes und dem vermeintlichen Ende der Geschichte bestimmt ein emphatischer Friedenspathos das Denken und Handeln der Internationalen Staatengemeinschaft. Doch anstatt der weltweiten Umsetzung der Versprechungen der Aufklärung und dem Anbruch einer Ära des ewigen Friedens folgt die Ernüchterung: Die Völkermorde in Ruanda und Srebrenica, die Umstrittenheit der NATO-Intervention im Kosovo und die vielen weiteren Fehlschläge in Entwicklungs- und Friedensinitiativen erschüttern das Vertrauen in die menschlichen Fähigkeiten zur Gestaltung von Politik und Gesellschaft. Nicht zuletzt das Scheitern der internationalen Anstrengungen zum Aufbau und zur Stabilisierung eines afghanischen Staates markiert den vorläufigen Tiefpunkt einer erfolglosen Geschichte des internationalen Friedensengagements und stellt die Legitimität politischer Unternehmungen im Zeichen des Friedens fundamental in Frage. Der Artikel sucht nach Gründen für das Scheitern des internationalen Friedensengagements im Kontext des Anthropozän. Dieses verortet den Menschen in einer wechselseitig konstitutiven Beziehung mit der Natur und damit innerhalb einer grundlegend kontingenten Welt, die v.a. im Anschluss an die Moderne als exklusive Domäne menschlicher Souveränität galt. Das macht in weiterer Folge jegliche wie auch immer definierte Vorstellung von Frieden im Anthropozän zur uneinlösbaren Fiktion. Nach der Auflösung dieses modernistischen Friedensbegriffs versucht die Argumentation schließlich eine relationale Konzeption von Frieden zu rekonstruieren.
English Abstract: After the dissolution of the Warsaw Pact and the supposed end of history, an emphatic peace pathos seemed to drive the international community. Yet, instead of the worldwide realization of the promises of the Enlightenment and the dawn of an era of perpetual peace, disillusionment followed: The genocides in Rwanda and Srebrenica, the controversial nature of the NATO intervention in Kosovo and many other failures in development and peace initiatives severely shook up the confidence in the human abilities to shape politics and society in the first place. Not least, the failure of international efforts to build and stabilize an Afghan state represents another low point within a history of unsuccessful und deficient international peace engagement and radically questions the legitimacy of political endeavors in the name of peace. The article explores the reasons for the failure of international peace engagement in the context of the Anthropocene. The Anthropocene situates human beings in a mutually constitutive relationship with nature and thus within a fundamentally contingent world which was considered the exclusive domain of human sovereignty. This makes any definition of peace in the Anthropocene a delusive fiction. After the dissolution of this modernist idea of peace, the paper will introduce a relational concept of peace.
Keywords: peacebuilding, Konfliktbearbeitung, Posthumanismus, relationale Welt, Komplexität, Agency, Macht, Herrschaft
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